Das gewaltige Typo Armcandy Projekt

Typo Armcandy Produktion

Modeschmuck-Designerin Simone Angerer, Inhaberin von „Klunkar“ in Bizau steht vor einer Riesenherausforderung: 5800 Armbänder sind zu fertigen. Und das in sehr kurzer Zeit. Freunde und Bekannte unterstützen sie.

Frauenstimmen erfüllen den Werkstattraum des Schmucklabels „Klunkar“ in Bizau im Bregenzerwald. Mittelpunkt des Raumes ist ein Holztisch, auf dem Einmachgläser mit Perlen, Lederschnüre, Zangen und anderes Werkzeug verstreut liegen. Trotz fortgeschrittener Abendstunde sitzt ein gutes Dutzend gutgelaunter Damen rundum den Tisch. Schon seit Stunden sind sie damit beschäftigt, Buchstabenperlen auf Lederschnüre zu fädeln und diese dann zusammenzuknüpfen. Ergebnis sind die sogenannten Typo-Armcandys. Typo steht als Kürzel für das lateinische Wort für Schrift. Und Armcandy bedeutet Zuckerl für den Arm.

Im Mittelpunkt dieser Schmucklinie stehen immer ein bis zwei Worte, deren Buchstaben jeweils auf Perlen aufgedruckt sind. „Hat jemand die ‚E‘ gesehen?“, fragt Simone Angerer (27), Designerin und Gründerin von „Klunkar“. Sie braucht diese, um das Wort „LOVE“ zu vollenden. Julia Nessler (23) entdeckt das Gefäß mit den gesuchten Perlen und reicht es Simone Angerer. Sie ist nur eine von vielen Helfern, die der Bitte der Designerin zur Mithilfe gefolgt sind.

5.800 Typo Armcandy
Seit Anfang Februar haben sich insgesamt 34 Freunde und Bekannte in der Werkstatt eingefunden. „Gerade an den Wochenenden war es ein reges Kommen und Gehen“, erzählt Angerer. Grund für die ehrenamtliche Aktion ist ein ganz besonderer Auftrag, der Anfang Februar bei Klunkar eingegangen ist. Die Macher von einem der größten Modemagazine im deutschsprachigen Raum orderten insgesamt 5800 Typo Armcandys. Kein außergewöhnlicher Umfang für große Schmuckhersteller. Für Angerer jedoch, die jedes Stück in Handarbeit fertigt, wäre dies allein nicht zu schaffen gewesen. Ein Riesenberg Arbeit auf der einen Seite, ein potenzielles Karriere-Sprungbrett auf der anderen. Und gleichzeitig ein besonderes Erlebnis für die Designerin und ihre Helfer.

Und wie kam es zu dem Riesenauftrag ? Sophie Feneberg, eine Redakteurin des deutschen Modemagazins InStyle Germany war im Herbst 2015 auf einer Modemesse in Berlin auf den Schmuck aufmerksam geworden. Es gehört zur Aufgabe dieser Modeexpertin, vier Mal jährlich eine sogenannte InStyle-Box zusammenzustellen. Das sind Pakete, die mit Must-Haves und Accessoires aus der Welt der Mode gefüllt und an die 5800 Abonnentinnen versandt werden. Neben Leserinnen sind auch Bloggerinnen und junge Frauen unter den Kunden, die über die sozialen Medien aktiv sind und dort vielfach Vorbildfunktion in Sachen Mode- und Lifestyle haben. Für sie gehört es dazu, Fotos von sich mit den angesagten Produkten aufzunehmen und diese dann online zu verbreiten. Ein ebenso moderner wie effektiver Weg um Trends auszulösen.

„Wir wollen diese Aktion nützen, um jungen Designern wie Simone die Möglichkeit zu geben, ihr Publikum zu erreichen.“

„Über die Boxen werden die Zielgruppen der Kreativen und Unternehmen auf direktem Weg erreicht. Wir wollen diese Aktion nützen, um jungen Designern wie Simone die Möglichkeit zu geben, ihr Publikum zu erreichen“, berichtet Feneberger. Von den Typo Armcandys begeistert, suchte sie deshalb Anfang Februar um eine entsprechende Anzahl an Bändern bei Angerer an, mit dem Plan, die InStyleboxen im März mit den Schmuckstücken zu füllen.


Kreatives Miteinander

Um den Auftrag erledigen zu können, wandte sich Angerer über Facebook an ihre Freunde und Bekannten. „Die Resonanz war und ist für mich einfach überwältigend“, resümiert die 27-Jährige: „Ich hätte nie gedacht, dass sich so viele Menschen bereit erklären würden, mir zu helfen.“ Abend für Abend sitzen seitdem Freunde, Bekannte und teils Bekannte von Bekannten in der Werkstatt und arbeiten Seite an Seite, um die Armbänder bis zum Abgabetermin Ende Februar fertigzustellen.

„Die Resonanz war und ist für mich einfach überwältigend.“

Soziales Miteinander existiert und funktioniert, beweist sich da wieder einmal. „Ich wollte Simone unterstützen, damit sie diesen Auftrag schafft“, erzählt Julia Nessler (23), die als begeisterte Kundin den Aufruf auf Facebook gesehen und daraufhin spontan beschlossen hatte, mitzuhelfen. „Es macht Spaß und ist zudem ein besonderes Erlebnis“, sagt sie. Das bekam Angerer so auch von anderen Helfern bestätigt. „Die Leute sagen, sie genießen es, etwas anderes zu machen, mitzuhelfen und gleichzeitig Abstand zum Alltag zu gewinnen“, erzählt die Wälderin, während sie nach einem weißen Band auf dem Tisch fischt und damit fortfährt, eine E-Perle auf das nächste Typo Armcandy zu fädeln.

„Es macht Spaß und ist zudem ein besonderes Erlebnis.“

Ihre Leidenschaft für kreatives Schaffen hat die Kreative zwar schon als Kind entdeckt, aber trotzdem verschiedene berufliche Stationen durchlaufen. Zurzeit absolviert sie die Lehre zur Grafikdesignerin, die sie voraussichtlich im Frühjahr 2016 abschließen wird. Enorme Affinität hegt sie zu Schmuckkreation. Zum Designen und Herstellen der Accessoires fand sie zufällig, als sie mit Polymer Clay experimentierte. Das ist eine Knetmasse, die erst dann aushärtet, wenn sie erhitzt wird. Das erste Stück, das sie aus dem Material fertigte, war ein Anhänger für eine Kette. Viele weitere folgten. Die wachsende Sicherheit im Umgang mit dem Material weckte die Lust auf mehr. So kamen das Anfertigen von Armbändern, Mützen, Stirnbändern und anderen Mode-Accessoires hinzu. Die fertigen Stücke wurden meist verschenkt. Anfang 2010 bemerkte die 27-Jährige, dass der Bedarf an ihrem Schmuck bei Freunden und Bekannten gedeckt war. Die Lust zum Designen und Basteln hingegen war ungebrochen. So führte eines zum anderen und Angerer gründete im Frühjahr 2010 ihr Schmucklabel Klunkar.

Typo Armcandy – Schmückende Worte

Neben der Weiterentwicklung bestehender Kollektionen nimmt sich die Bregenzerwälderin regelmäßig Zeit, sich an neuen Kreationen zu versuchen und auch mit Materialien zu experimentieren. Inspiration für verschiedene Designs findet sie in der Natur, und auch über diverse soziale Medien im Internet. So stieß sie auch im Sommer 2015 beim Surfen im Internet auf das Foto eines Mädchens, das ihren Namen in Form eines Armbandes ums Handgelenk trug. Von der Idee begeistert, Worte und Schmuck zu kombinieren, bestellte Angerer Perlen und Bänder und begann, Begriffe in Modeschmuck zu verwandeln. Was als Experiment startete, mündet nun in dem Auftrag einer bekannten Modezeitschrift, über 5000 Armbänder für seine Leserinnen zu fertigen. (Text Sara Bonetti, Fotos Klaus Hartinger) – Dieser Bericht ist am 20. Februar 2016 in der NEUEN Vorarlberger Tageszeitung erschienen.